OLG Karlsruhe – 2 ORbs 35 Ss 9/23: Die Blitzer-App der Beifahrerin

Bei einer Verkehrskontrolle wurde bei der Beifahrerin eine aktive Warn-App festgestellt. Dies reichte neben einem entsprechenden Fahrverfahren für die Ahndung aus, denn es kam allgemein auf die Verwendung (geöffneter Zustand) an.

aa) Die Einführung des § 23 Abs. 1 c Satz 3 StVO wurde durch eine Initiative der Bundesministerien für Verkehr und digitale Infrastruktur, für Wirtschaft und Energie und für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit angestoßen, die ursprünglich nur vorsah, die Regelung in § 23 Abs. 1c Satz 1 StVO dahin zu ergänzen, dass das verwendete technische Gerät zur Anzeige oder Störung von Verkehrsüberwachungsmaßnahmen bestimmt ist oder – so der Ergänzungsvorschlag – „verwendet werden kann“. Damit sollte klargestellt werden, dass von der Regelung auch Navigationsgeräte oder Mobiltelefone mit sogenannten Blitzer-Apps erfasst sind (BR-Drs. 591/19 S. 5 und 79 f.).

Die dann beschlossene Änderung durch Einführung des § 23 Abs. 1c Satz 3 StVO wurde damit begründet, dass mit dem ursprünglichen Vorschlag auch Geräte erfasst gewesen wären, auf denen die entsprechenden Funktionen deaktiviert sind. Der Bundesrat hat in der Begründung zu diesem Änderungsvorschlag abschließend ausgeführt: „Es wird daher vorgeschlagen, das vorgesehene Verbot auf die Nutzung [Hervorhebung durch den Senat] der entsprechenden Gerätefunktionen (zum Beispiel entsprechende Smartphone-Applikationen) zu begrenzen“ [BR-Drs. 591/19 (Beschluss) S. 6 https://t1p.de/qicvt].

Den Volltext finden Sie hier: https://t1p.de/cya4z

VG Neustadt/Weinstr. – 5 L 485/23.NW: Polizeiliche Sicherstellung eines Porsche nach grob verkehrswidrigem Fahren

Ein Fall aus dem Straßenverkehrs- und Polizeirecht. Auf die Ehefrau ist der Porsche zugelassen, wird jedoch nur vom Ehemann gefahren. Dieser zeigte ein grob verkehrswidriges Überholverhalten, bei dem der Zusammenstoß mit dem entgegenkommenden Polizeifahrzeug nur dadurch verhindert werden konnte, indem das Polizeifahrzeug stark bremste. Der Ehemann zeigte sich danach (weiterhin) völlig uneinsichtig. Die Entscheidung im Volltext ist unter https://t1p.de/2y330 abrufbar.

Die Entscheidung wurde durch das OVG Rheinland-Pfalz bestätigt. Sie finden die Pressemtteilung unter https://t1p.de/2y330.

OLG Celle – 2 Ss (OWi) 348/20: Heilung der unwirksamen Zustellung durch Übermittlung eines Fotos des Bußgeldbescheids an die Betroffene

Die Betroffene fuhr zu schnell und wurde daher „geblitzt“. Der Bußgeldbescheid wurde an ihre alte Adresse gesandt. Dieser Zustellungsmangel wurde jedoch dadurch geheilt, daß die Mutter den Bußgeldbescheid fotografierte und das Foto per Mobiltelefon an die Fahrerin übersandte.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie unter: https://t1p.de/hj2t.

BGH, Beschl. v. 16.12.2020 – 4 StR 526/19: Ein elektronischer Taschenrechner unterfällt dem Verbot des § 23 Abs. 1a StVO

Die Entscheidung des BGH basiert auf dem Umstand, daß das OLG Oldenburg – 2 Ss OWi 175/18 – entschieden hatte, daß ein elektronischer Taschenrechner nicht vom § 23 Abs. 1a StVO erfaßt ist, während das OLG Hamm in der Sache anders entscheiden wollte. Daher legt es die Frage dem BGH vor. Die Entscheidung finden Sie als pdf-Datei im Volltext unter https://t1p.de/hxig.

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 05.01.2021 – 2 RBs 191/20: Im Internet abrufbare Luftbildaufnahmen können als Quelle für allgemeinkundige Erkenntnisse zu örtlichen Gegebenheiten herangezogen werden.

Der Beschwerdeführer überfuhr eine rote Ampel und es ging um die Frage, wieweit der Beschwerdeführer von der Haltelinie entfernt war, als die Ampel auf Rot schaltete.

Die konkrete örtliche Gegebenheit lässt sich durch Rückgriff auf im Internet allgemein zugängliche Luftbildaufnahmen … leicht feststellen und ist daher als allgemeinkundig anzusehen. Allgemeinkundige Tatsachen stehen der Kenntnisnahme durch das Rechtsbeschwerdegericht offen, ohne dass es ihrer Darlegung im tatrichterlichen Urteil bedarf. … Allgemeinkundig sind alle Tatsachen und Erfahrungssätze, von denen verständige und erfahrene Menschen regelmäßig ohne Weiteres Kenntnis haben oder über die sie sich aus allgemein zugänglichen Quellen unschwer unterrichten können. … Zu den Quellen der Allgemeinkundigkeit gehören auch Homepage-Abfragen und sonstige Erkenntnisse aus dem Internet. … Dementsprechend können nicht nur im Internet abrufbare Straßenkarten und Stadtpläne, sondern auch die bei Google Maps oder Google Earth abrufbaren Luftbildaufnahmen als Quelle für allgemeinkundige Erkenntnisse zu örtlichen Gegebenheiten herangezogen werden.

Die Entscheidung im Volltext finden Sie unter https://t1p.de/f7w7.

Auch bei der Entscheidung des OLG Köln, Beschl. v. 20.03.2012 – III-1 RBs 65/12 https://t1p.de/vaw1 ging es um die Örtlichkeiten bei der Frage nach einem Rotlichtverstoß.

Auch andere Gerichte hatten sich bereits mit der Frage beschäftigt, ob solche Luft- oder Straßenbildaufnahmen eingesehen und zur Basis einer richterlichen Entscheidung genommen werden können.

VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 08.09.2011 – 5 L 754/11 (Mahnung; Zustellung) – https://t1p.de/kxzr.

FG Hamburg,Urt. v. 05.02.2015 – 3 K 45/14 – https://t1p.de/ktlr (Prüfung, ob Flächen, Gebäude usw. vorhanden sind).

Hamb. OVG, Beschl. v. 01.12.2020 – 4 Bs 84/20: Eine Fahrtenbuchauflage (hier gegen eine Autovermietung) ist von Art. 6 Abs. 1 lit. e) DSGVO umfaßt, da die mit ihr verfolgten Zwecke der Gefahrenprävention im öffentliche Interessen sind.

Die Entscheidung im Volltext finden Sie unter https://t1p.de/ga0h.

VG Karlsruhe – 1 K 4344/17 – „Auto-Posen“ kann untersagt werden

Das VG Karlsruhe hatte den Fall zu entscheiden, ob die Behörde einem Kraftfahrer das sog. „Auto-Posen“ untersagen kann. Darunter ist das

  • Hochjagen des Motors im Leerlauf und beim Fahren in niedrigen Gängen (insbesondere Gasstoß),
  • unnötig schnelles Beschleunigen des Fahrzeugs, namentlich beim Anfahren, auch im Zusammenspiel mit anderen PS-starken Fahrzeugen,
  • unnötiges Laufenlassen des Motors stehender Fahrzeuge,
  • Vorbeifahren an Passanten mit extrem lauten Motor,
  • Aufheulenlassen des Motors beim Parkvorgang

zu verstehen.

Das Gericht bejahte eine solche Verfügung. Diese kann auf die sog. Generalklausel (in Brandenburg § 13 OBG Bbg) gestützt werden. Ergänzend durfte auf § 30 StVO herangezogen werden. § 30 Abs. 1 StVO besagt:

„Bei der Benutzung von Fahrzeugen sind unnötiger Lärm und vermeidbare Abgasbelästigungen verboten. Es ist insbesondere verboten, Fahrzeugmotoren unnötig laufen zu lassen und Fahrzeugtüren übermäßig laut zu schließen. Unnützes Hin- und Herfahren ist innerhalb geschlossener Ortschaften verboten, wenn Andere dadurch belästigt werden.“

Die Zuständigkeit für diese Untersagung liegt beim Allgemeinen Ordnungsamt. Die Frage war, ob das Verhalten eine unnötige Lärmbelästigung ist.

Unnötig ist eine Lärmbelästigung, die bei der Benutzung des Fahrzeugs über das bei sachgerechter Nutzung notwendige Maß hinaus entsteht. Das Verbot gilt bereits dann, wenn die abstrakte Gefahr von Beeinträchtigungen anderer besteht, ohne dass die konkrete Beeinträchtigung bestimmter Personen festgestellt werden müsste. Maßgeblich ist insoweit, ob die konkrete Beeinträchtigung die Schwelle der Zumutbarkeit überschreitet. Ob die Grenze der Zumutbarkeit im konkreten Einzelfall überschritten wird, muss nicht durch eine lärmtechnische Messung ermittelt werden. Es ist eine Gesamtbeurteilung unter Berücksichtigung von Einzelfallumständen, wie zum Beispiel der Tageszeit, dem Fahrzeugstandort einschließlich der vorhandenen Geräuschkulisse und dem Gebietscharakter vorzunehmen.

VG Karlsruhe, Urteil vom 17.12.2018 – 1 K 4344/

Das Verhalten des Klägers wurde als ein solcher Verstoß gegen § 30 Abs. 1 StVO eingeordnet. Dabei fiel er der Behörde nicht nur einmal, sondern an mehreren Tagen auf. Daraus entnahm diese und auch das Gericht, daß der Kläger auch in Zukunft wieder solche Verhaltensweisen zeigen wird und so gegen die Vorgaben des § 30 Abs. 1 StVO verstoßen werden wird. Daß die Verfügung in zeitlicher und örtlicher Sicht durch die Behörde nicht begrenzt wurde, war aus Sicht des Gerichts kein Mangel., weil der Kläger ein uneinsichtiges Verhalten gezeigt habe.