Die Entscheidung im Volltext finden Sie unter: https://t1p.de/clzi9. Die Revision zum BGH wurde zugelassen.
Kategorie: Zivilrecht
VGH München, Beschl. v. 10.10.2022 – 10 B 22.798 – Polizeiliche Hilfe bei der Vollstreckung
Die polizeiliche Unterstützung einer Wohnungsdurchsuchung durch gerichtliche Zwangsvollstreckungsorgane ist nur dann rechtmäßig, wenn die Wohnungsdurchsuchung von einem Gericht angeordnet oder ausnahmsweise wegen Gefahr im Verzug ohne gerichtliche Entscheidung zulässig ist. Den Volltext finden Sie hier.
ArbG Villingen-Schwenningen – 2 Ca 143/21: Streitwert für das Entfernen von Bildern eines ehemaligen Mitarbeiters
Der Antrag eines Arbeitnehmers, der nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Entfernung von Fotos von der Homepage des Arbeitgebers klagt, auf der er abgebildet ist, ist streitwertrechtlich mit einem Gehalt zu bemessen. Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier.
abmahn- und klagefreudiger IDO-Verein
Der als sehr abmahn- und klagefreudig bekannte IDO Verein sorgt für eine uneinheitliche Rechtsprechung. Einige Gerichte sprechen ihm die Klage- bzw. Anftragsbefugnis (z.B. OLG Düsseldorf 20 U 325/20, LG Bonn 11 O 49/17, LG Darmstadt 15 O 14/20) ab, andere halten sein Vorgehen für rechtsmißbräuchlich (OLG Rostock 2 U 5/19, OLG Celle 13 U 73/19, OLG Köln 6 U 67/21, LG Köln 81 O 35/21, LG Heilbronn 21 O 38/19 KfH, LG Hildesheim 11 O 5/19, LG Potsdam 52 O 62/20). Wiederum andere Gerichte sehen sein Vorgehen als regelkonform an (Bbg OLG 6 U 41/21 [Berufungsinstanz zum LG Potsdam]).
Die Videokameras des Nachbarn. Wenn der Überwachungsdruck für den Unterlassungsanspruch ausreicht – AG Iburg, Urteil vom 12.11.2021 – 4 C 366/21
Viele wollen nur ihr Eigentum schützen, indem sie Videokameras aufstellen, in der Hoffnung, daß das Einbrecher abschreckt. Manchmal allerdings kann das zu einem Unterlassungsanspruch des Nachbarn führen. Die Zusammenfassung der Entscheidung finden Sie hier.
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.07.2021 – 1 UF 74/21: Veröffentlichen von Fotos der Kinder in sozialen Netzwerken ist nur mit Zustimmung beider sorgeberechtigter Elternteile zulässig
Eine häufig vorkommende Situation ist, daß Eltern Fotos, Videos usw. ihrer Kinder ins Internet (soziale Netzwerke) stellen. Im Regelfall machen sie sich darum keine Gedanken. Dies ist in Teilen bedenklich und kann zu Problemen führen, wenn z.B. die Eltern getrenntleben und die Kinder durch einen der Elternteile oder dessen neuen Partner oder Partnerin fotografiert oder gefilmt und diese Aufzeichnungen bzw. Aufnahmen ins Internet gestellt werden, wie im Fall des OLG Düsseldorf.
Die Mutter der Kinder stellte fest, daß die Mädchen von der neuen Freundin (zukünftig Freundin) fotografiert und diese Bilder ins Netz gestellt wurde, ohne daß seitens der Kindesmutter hierfür eine Zustimmung gem. § 182 BGB bzw. Einwilligung gem. 183 BGB vorlag. Eine Genehmigung gem. § 183 BGB erteilte sie nicht.
Ausgangspunkt ist zunächst die Frage, welche Auswirkungen es für die Kinder haben kann, wenn Bilder von ihnen ins Netz gestellt werden. Denn wenn die Auswirkungen gering sind, könnte darüber nachgedacht werden, daß es der Zustimmung durch die Mutter nicht bedarf.
Das öffentliche Teilen der Bilder bei Facebook und bei Instagram und ihre Einstellung auf der Webseite, um deren rechtliche Abwehr es geht, hat schwer abzuändernde Auswirkungen auf die Entwicklung der Kinder. Das ergibt sich aus der Tragweite der Verbreitung von Fotos in digitalen sozialen Medien unter Berücksichtigung der hiervon betroffenen Privatsphäre der Kinder und des gebotenen Schutzes ihrer Persönlichkeit. Der Personenkreis, dem die Fotos auf diese Weise zugänglich gemacht werden, ist unbegrenzt. Ihre Weiterverbreitung ist kaum kontrollierbar. Eine verlässliche Löschung der Bilder ist nicht möglich (vgl. DIJuF-Rechtsgutachten vom 02.11.2016, JAmt 2017, 27, 30). Die Kinder werden mit diesen Abbildungen aus ihrer Kindheitszeit potenziell für immer seitens eines unbeschränkten Personenkreises konfrontiert sein. Das tangiert spürbar die Integrität ihrer Persönlichkeit und ihrer Privatsphäre. Damit ist die Erheblichkeitsschwelle des § 1628 BGB erreicht.
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.07.2021 – 1 UF 74/21
Egal, ob die Eltern zusammen- oder getrenntleben, sie sollten generell nicht allzu sorglos Fotos „der Kleinen“ ins Netz stellen. Davon abgesehen sollten sie sich einigen, ob und wenn ja, welche Bilder ins Netz gestellt werden. Dies folgt aus §§ 1626, 1627 BGB.
Mangels Zustimmung verlangte die Mutter, die Bilder zu löschen, was die neue Freundin nicht tat und der Vater lehnte es ab, auf seine neue Freundin einzuwirken. Da sich die Eltern also nicht gem. §§ 1626, 1627 BGB einigen konnten, mußte deshalb das Gericht gem. § 1628 BGB eine Entscheidung treffen.
Aufgrund der oben dargestellten Auswirkungen war eine Zustimmung der Mutter erforderlich. An der es eben fehlte.
Das Erfordernis einer Einwilligung auch der Kindesmutter in die Veröffentlichung der Fotos ergibt sich zum einen aus der Norm des § 22 KunstUrhG. Diese knüpft die Rechtmäßigkeit der Verbreitung eines Bildes des Kindes jedenfalls an die Einwilligung beider sorgeberechtigter Elternteile.
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.07.2021 – 1 UF 74/21
Zum anderen folgt das Einwilligungserfordernis aus Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. a) DSGVO. Die Verwendung von Fotografien unterfällt den Gewährleistungen der DSGVO (MünchKommBGB/Rixecker, BGB, 8. Auflage, Anhang zu § 12 Rn. 156). Der Rechtfertigungsgrund der Einwilligung gemäß Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. a) DSGVO erfordert die Einwilligung der sorgeberechtigten Eltern als Träger der elterlichen Verantwortung.
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.07.2021 – 1 UF 74/21
Ergänzend führte das Gericht aus:
Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Kinder in die Bildveröffentlichung einwilligen. Eine solche Einwilligung würde nämlich nichts daran ändern, dass die erforderliche Einwilligung beider sorgeberechtigter Elternteile in die Bildverbreitung fehlt.
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.07.2021 – 1 UF 74/21
BGH – VIII ZR 277/17: Widerrufsrecht auch beim Überflug und der Fotoerstellung von Grundstücken
Die Klägerin ist ein Verbraucherschutzverein. Die Beklagte bietet als Gewerbetreibende Aufnahmen von Luftbildern an, die eine andere Firma von Grundstücken erstellt, ohne daß die Eigentümer bzw. Nutzungsberechtigten Kenntnis davon (Überflug und den Aufnahmen) haben. Ein Mitarbeiter der Beklagten forscht dann nach den Adressen der Eigentümer usw., die dann unaufgefordert aufgesucht werden. Sodann werden ihnen Fotos im Kleinformat vorgelegt und der Erwerb von vergrößerten Aufnahmen angeboten. Dabei wird ein vorformuliertes Formular verwendet, welches jedoch den Widerruf ausschließt. Der Preis pro Großformatfoto liegt zwischen 300 – 400 €.
Die Ausgangsfrage ist, ob es sich um eine Sache (Fotos) handelt, die unter das Widerrufsrecht fällt. Wenn dieses der Fall sein sollte, dann wäre das Formular rechtswidrig und die Beklagte hätte deren Verwendung zu unterlassen. Dieses Widerrufsrecht hat eine besondere Schutzbedeutung :
Das in § 312g BGB normierte Widerrufsrecht des Verbrauchers trägt der Tatsache Rechnung, dass der Verbraucher bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen oft psychologischem Druck und einer Überrumpelungssituation ausgesetzt ist (vgl. Erwägungsgrund 21 der Richtlinie 2011/83/EU). Um der daraus erwachsenden Gefahr von Fehlentscheidungen des Verbrauchers zu begegnen, wird dem Verbraucher ermöglicht, sich ohne lange Auseinandersetzung mit dem Unternehmer vom wirksam geschlossenen Vertrag wieder zu lösen.
Brandenburgisches OLG, Urteil vom 14.11.2017 – 6 U 12/16 – Fotoabzüg
Bereits das LG Potsdam und das Brandenburgische OLG sahen in den Fotos eine Sache, die unter das Widerrufsrecht fällt und hatten es der Beklagten untersagt, das Formular zu verwenden, soweit den Verbrauchern darin kein Widerrufsrecht eingeräumt wurde.
Es gibt jedoch auch Ausnahmefälle, wo das Widerrufsrecht des Verbrauchers nicht einschlägig ist, z.B. wenn die Sache aufgrund einer bestimmten Angabe des Verbrauchers erstellt wurde. Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Nur weil der Verbraucher von den kleinen Fotos ein großes erstellen läßt, wird daraus keine Sache, die speziell aufgrund von Kundenwünschen angefertigt wird.
Für eine Anfertigung nach Kundenspezifikation … reicht es deshalb nicht aus, wenn der Verbraucher durch seine Bestellung die Herstellung der Ware veranlasst und dafür – notwendigerweise – genauere Angaben über deren Beschaffenheit macht. Anderenfalls wäre das Widerrufsrecht allein davon abhängig, ob (ein und dieselbe) Ware vorrätig gehalten oder erst auf Bestellung (nach Bedarf) produziert wird. Es läge dann in der Hand des Unternehmers, ein Widerrufsrecht des Verbrauchers dadurch auszuschließen, dass auch standardisierte Ware nicht vorrätig gehalten, sondern erst auf Bestellung produziert wird. Dies liefe dem Ausnahmecharakter der gesetzlichen Regelung zuwider. … Nach diesen Grundsätzen sind die von der Beklagten Verbrauchern gegenüber angebotenen Luftbildaufnahmen nicht als nach Kundenspezifikation angefertigt, sondern als vorgefertigte Waren anzusehen. Maßgeblich für diese Beurteilung ist, dass der Beklagten bereits vor der Kontaktaufnahme zu dem potentiellen Kunden die Übersichtsaufnahme aus der Luft als digitale Bilddatei vorliegt, welche den später verkauften Bildausschnitt umfasst. … Diese Reproduktion stellt aber nicht die Herstellung der verkauften „Ware“ im Sinne des § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB dar, denn die Ware als das Objekt, auf welches sich die Kaufentscheidung richtet, ist ein Abbild des Motivs, das bereits in allen wesentlichen Parametern in der Bilddatei und auf der dem Kunden gezeigten Übersichtsaufnahme vorliegt. Diese Ware ist bereits durch den aus einem Fluggerät heraus bewerkstelligten Vorgang des Fotografierens hergestellt worden.
Brandenburgisches OLG, Urteil vom 14.11.2017 – 6 U 12/16 – Fotoabzüge
Die Revision der Beklagten zum BGH wurde verworfen, weil die dafür erforderliche Streitwertgrenze von 20.000 € nicht erreicht wurde. Die Beklagte hatte gemeint, durch die Überflüge würden Kosten von über 30.000 € entstehen, die dann wertlos seien, würden die Verbraucher die Verträge widerrufen. Der BGH sah dieses jedoch anders.
Danach orientieren sich der Gebührenstreitwert und auch die Beschwer in Verfahren nach dem Gesetz über Unterlassungsklagen bei Verbraucherrechts- oder anderen Verstößen (UKlaG) regelmäßig an dem Interesse der Allgemeinheit an der Beseitigung einer gesetzwidrigen AGB-Bestimmung, nicht hingegen an der wirtschaftlichen Bedeutung eines Klauselverbots… Auf diese Weise sollen Verbraucherschutzverbände bei der Wahrnehmung der ihnen im Allgemeininteresse eingeräumten Befugnis, den Rechtsverkehr von unwirksamen Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu befreien, vor unangemessenen Kostenrisiken geschützt werden.
BGH, Beschluß vom 05.02.2019 – VIII ZR 277/17
Das bedeutet also, daß die Eigentümer eines Grundstücks ein Widerrufsrecht haben, sollten sie unaufgefordert aufgesucht werden, um ihnen Luftbildaufnahmen von ihrem Grundstück anzubieten. Dies gilt nach hier vertretener Auffassung auch, wenn sie zuvor telefonisch über die Fotos informiert und gefragt wurden, ob man ihnen diese mal zeigen könne. Eine solche Methode soll meist dazu dienen, später zu sagen, man sei auf eine Einladung hin zum Verbrucher gekommen. Auch das unaufgeforderte Kontaktieren eines Verbrauchers via Telefon usw. stellt eine sog. Kaltakquise gem. § 7 Abs. 2 UWG dar, die unzulässig und bußgeldbewehrt ist.
Hinweisbeschluß des BGH – VIII ZR 225/17 – zur Abschalttechnologie bei einem VW
Der BGH hat einen Hinweisbeschluß zur Abschalttechnologie bei einem VW erlassen. Ein Hinweisbeschluß ist eine Stellungnahme des Gerichts, wie es vorläufig die Sach- und Rechtslage einschätzt. Es ist also noch keine endgültige Entscheidung (z.B. Urteil), aber läßt die Parteien erkennen, in welche Richtung das Gericht tendieren wird.
Im Folgenden werden die sog. Leitsätze (Kernaussagen) aufgelistet.
Mangelhaftigkeit
a) Ein Fahrzeug ist nicht frei von Sachmängeln, wenn bei Übergabe an den Käufer eine – den Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand gegenüber dem normalen Fahrbetrieb reduzierende – Abschalteinrichtung (im Sinne von Art. 3 Nr. 10 VO 715/2007/EG) installiert ist, die (gemäß Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO 715/2007/EG) unzulässig ist.
b) Dies hat zur Folge, dass dem Fahrzeug die Eignung für die gewöhnliche Verwen dung im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB fehlt, weil die Gefahr einer Betriebsuntersagung durch die für die Zulassung zum Straßenverkehr zuständige Behörde (§ 5 Abs. 1 FZV) besteht und somit bei Gefahrübergang der weitere (ungestörte) Betrieb des Fahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr nicht gewährleistet ist.
Mögliche Nachlieferungspflicht
a) Ob eine gemäß § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB begehrte Ersatzlieferung einer mangelfreien Sache nach Maßgabe des § 275 Abs. 1 BGB unmöglich ist, hängt nicht von der Unterscheidung zwischen Stück- und Gattungskauf, sondern vom Inhalt und der Reichweite der vom Verkäufer vertraglich übernommenen Beschaffungspflicht ab.
b) Bei der durch interessengerechte Auslegung des Kaufvertrags (§§ 133, 157 BGB) vorzunehmenden Bestimmung des Inhalts und der Reichweite der vom Verkäufer übernommenen Beschaffungspflicht ist zu berücksichtigen, dass die Pflicht zur Ersatzbeschaffung gleichartige und gleichwertige Sachen erfasst. Denn der Anspruch des Käufers auf Ersatzlieferung gemäß § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB richtet sich darauf, dass anstelle der ursprünglich gelieferten mangelhaften Kaufsache nunmehr eine mangelfreie, im Übrigen aber gleichartige und – funktionell sowie vertragsmäßig – gleichwertige Sache zu liefern ist. Die Lieferung einer identischen Sache ist nicht erforderlich. Vielmehr ist insoweit darauf abzustellen, ob die Vertragsparteien nach ihrem erkennbaren Willen und dem Vertragszweck die konkrete Leistung als austauschbar angesehen haben.
c) Für die Beurteilung der Austauschbarkeit der Leistung ist ein mit einem
Modellwechsel einhergehender, mehr oder weniger großer Änderungsumfang des neuen Fahrzeugmodells im Vergleich zum Vorgängermodell nach der Interessenlage des Verkäufers eines Neufahrzeugs in der Regel nicht von Belang. Insoweit kommt es – nicht anders als sei ein Fahrzeug der vom Käufer erworbenen Modellreihe noch lieferbar – im Wesentlichen auf die Höhe der Ersatzbeschaffungskosten an. Diese führen nicht zum Ausschluss der Leistungspflicht nach § 275 Abs. 1 BGB, sondern können den Verkäufer gegebenenfalls unter den im Einzelfall vom Tatrichter festzustellenden Voraussetzungen des § 439 Abs. 4 BGB berechtigen, die Ersatzlieferung zu verweigern, sofern diese nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist.
a) Ein Fahrzeug ist nicht frei von Sachmängeln, wenn bei Übergabe an den Käufer eine – den Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand gegenüber dem normalen Fahrbetrieb reduzierende – Abschalteinrichtung (im Sinne von Art. 3 Nr. 10 VO 715/2007/EG installiert) ist, die (gemäß Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO 715/2007/EG) unzulässig ist.
b) Dies hat zur Folge, dass dem Fahrzeug die Eignung für die gewöhnliche Verwen dung im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB fehlt, weil die Gefahr einer Be triebsuntersagung durch die für die Zulassung zum Straßenverkehr zuständige Behörde (§ 5 Abs. 1 Fahrzeug-Zulassungsverordnung – FZV) besteht und somit bei Gefahrübergang der weitere (ungestörte) Betrieb des Fahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr nicht gewährleistet ist.
a) Ein Fahrzeug ist nicht frei von Sachmängeln, wenn bei Übergabe an den Käufer eine – den Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand gegenüber dem normalen Fahrbetrieb reduzierende – Abschalteinrichtung (im Sinne von Art. 3 Nr. 10 VO 715/2007/EG installiert) ist, die (gemäß Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO 715/2007/EG) unzulässig ist.
b) Dies hat zur Folge, dass dem Fahrzeug die Eignung für die gewöhnliche Verwen dung im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB fehlt, weil die Gefahr einer Be triebsuntersagung durch die für die Zulassung zum Straßenverkehr zuständige Behörde (§ 5 Abs. 1 Fahrzeug-Zulassungsverordnung – FZV) besteht und somit bei Gefahrübergang der weitere (ungestörte) Betrieb des Fahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr nicht gewährleistet ist.
BGH – VIII ZR 188/16: Reinigung (auch nicht zu öffnender Fensterteile) ist Sache des Mieters
Der BGH hatte sich in der Sache VIII ZR 188/16 mit der Frage zu beschäftigen, ob der Mieter vom Vermieter die Reinigung von Fenstern verlangen kann, die sich zumindest nur zum Teil öffnen lassen.
Dabei handelte es sich um eine große Fensterfront von 1,30 m x 2,75 m, bei der sich jedoch nur in der Mitte zu öffnendes Fenster von 0,60 m x 1,25 m befindet. Der Vermieter reinigte die Fenster ohne Pflicht zweimal im Jahr. Die klagenden Miter wollten erreichen, daß er es viermal im Jahr reinigt.
Das Amtsgericht wies die Klage ab. Das Landgericht verurteilte den Vermieter aufgrund der Berufung der Mieter dazu, die nicht zu öffnenden Fenster zweimal im Jahr zu reinigen. Die dagegen erhobene Berufung der Mieter wurde aufgrund des Hinweisbeschlusses des BGH zurückgenommen.
Der BGH wies darauf hin, daß
Die Reinigung der Flächen der Mietwohnung einschließlich der
Außenflächen der Wohnungsfenster, zu denen auch etwaige nicht zu öffnende Glasbestandteile sowie die Fensterrahmen gehören, grundsätzlich dem Mieter [obliegt], soweit die Mietvertragsparteien keine abweichende Vereinbarung getroffen haben.
Denn der Vermieter schuldet dem Mieter keine Erhaltung der Mietsache in einem jeweils gereinigten Zustand; bloße Reinigungsmaßnahmen sind dementsprechend nicht Bestandteil der Instandhaltungs- oder Instandsetzungspflicht des Vermieters.
LG Heilbronn, Urt. v. 9.8.2018 – Sp 2 O 278/17 – sittenwidrige Schädigung beim Pkw-Kauf
Das Landgericht Heilbronn hatte sich mit Urt. v. 09.08.2018 – Sp 2 O 278/17 – damit zu beschäftigen, ob ein weltweit bekannter Autohersteller den Käufer eines Pkw über den Einbau eines Manipulationsprogrammes getäuscht und damit gem. § 826 BGB sittenwidrig geschädigt hat.
Das Gericht bejahte diese Annahme. Bringe der Hersteller in einer Vielzahl von Fällen Fahrzeuge mit einem den Verbrauchern bewußt verschwiegenen Betriebsmodus in Verkehr, dessen alleiniger Zweck darin bestehe, die Einhaltung von Emissionswerten zu Genehmigungszwecken vorzutäuschen, so handele es sich nicht lediglich um eine unvollständige oder unrichtige Aufklärung, sondern um eine gezielte Manipulation zum Zweck der Täuschung, die als sittenwidrig im Sinne von § 826 BGB einzuordnen sei.
Der Schaden, den die Klägerin erlitten hatte, folge
aus der Belastung mit einer bei Kenntnis des Manipulationsvorgangs nicht getroffenen Kaufentscheidung und der damit eingegangenen Kaufpreiszahlungsverpflichtung, die bereits eine Vermögensgefährdung begründet.
Indem der Hersteller gezielt eine Motorsteuerungssoftware für den Dieselmotor EA 189 mit einem nur für den Prüfstand im Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) entwickelten Fahrmodus zur Einhaltung der für die EG-Typengenehmigung erforderlichen Emissionswerte programmiert und das Kraftfahrtbundesamt eine solche als unzulässige Abschalteinrichtung eingestuft habe, sei die Klägerin zum Abschluss eines Kaufvertrages gebracht worden, den sie sonst nicht geschlossen hätte.
Entscheidend für die Frage des Schadens sei, ob
die Klägerin das Fahrzeug (zu demselben Preis) auch dann gekauft hätte, wenn sie gewusst hätte, dass der Motor des streitgegenständlichen Fahrzeugs die EG-Typengenehmigung nur erhalten hatte, weil die Beklagte das Testverfahren mit einer unzulässigen Abschaltvorrichtung manipuliert hatte. Dass diese Frage zu verneinen ist, liegt auf der Hand. Kein vernünftiger Käufer würde sich auf die Unsicherheit des möglichen Widerrufs der EG-Typengenehmigung einlassen und ein solches Fahrzeug erwerben, selbst wenn mit dem Fahrzeug weder eine Wertminderung noch nachteilige Emissionswerte verbunden sind. Die berechtigten Erwartungen eines vernünftigen durchschnittlichen Käufers erstrecken sich darauf, dass das erworbene Fahrzeug die technischen und rechtlichen Voraussetzungen der Zulassung erfüllt und diese nicht durch illegale Mittel erreicht worden sind.
Es lag auch ein Verstoß gegen die guten Sitten vor.
Die Verwerflichkeit des Verhaltens der Beklagten folgt hier nach Überzeugung des Gerichts aus dem Umstand, dass die Beklagte die Motorsteuerungssoftware des streitgegenständlichen Fahrzeugs gezielt so programmiert hat, dass der Eindruck entsteht, dass das Fahrzeug geringere Stickstoffemissionen aufweist, als es im regulären Fahrbetrieb tatsächlich der Fall ist. … Vielmehr ist für die Entscheidung, ob das Verhalten der Beklagten verwerflich i.S.v. § 826 BGB ist, darauf abzustellen, dass die Beklagte für das Zulassungsverfahren einen Betriebsmodus entwickelt und eingebaut hat, dessen alleiniger Zweck in der Manipulation des Genehmigungsverfahrens bestand.
Die darüber hinaus für § 826 BGB nötige besondere Verwerflichkeit des Verhaltens ergibt sich aus dem Umstand, dass die Beklagte die Manipulation in einer Vielzahl von Fällen bzw. in einer ganzen Motorserie vorgenommen hat. Die Beklagte ist der größte Fahrzeughersteller und -exporteur Deutschlands, so dass von ihr vorgenommene gezielte Manipulationen des Genehmigungsverfahrens geeignet sind, das Vertrauen einer Vielzahl von Kunden in die Einhaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen zu untergraben. Aus der Konzerngröße der Beklagten können sich aus einer solchen gezielten Manipulation des Genehmigungsverfahrens Risiken in volkswirtschaftlich relevanter Dimension ergeben.
Schon dieses Gewinnstreben um den Preis der bewussten Täuschung und Benachteiligung von Kunden gibt dem Handeln der Beklagten das Gepräge der Sittenwidrigkeit. … Die Sittenwidrigkeit folgt vor allem daraus, dass die Manipulation heimlich vorgenommen wurde mit dem Ziel, eine Zulassung durch Täuschung zu erwirken.
Problematisch war die Beweisfrage, denn die Klägerin mußte die Verantwortlichkeiten beweisen, was bei einem großen Konzern sehr schwer war. Hier half jedoch die sog. sekundäre Darlegungslast. Gerade weil die Klägerin keinen Einblick in die Verwortungen haben konnte, hätte die Beklagte „Licht ins Dunkel“ bringen können. Das Gericht ging dann davon aus, daß die Verantwortung den gesetzlichen Vertretern zufällt, da die Beklagte nichts zu den Verantwortungen erklärt hat.
Zwar setzt die Haftung einer juristischen Person aus § 826 BGB i. V. m. § 31 BGB voraus, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter i.S.d. § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB verwirklicht hat (BGH, Urteil vom 28.06.2016, Az. VI ZR 536/15). Davon ist aber für die hier zu treffende Entscheidung auszugehen. Denn die Beklagte ist ihrer sekundären Darlegungslast zu der Frage, welches ihrer Organe Kenntnis von der Manipulation der Motorsteuerungssoftware hatte und das Inverkehrbringen entsprechend ausgerüsteter Motoren veranlasst hat, trotz Hinweises der Klägerseite hierauf nicht nachgekommen.
…
Hinzu kommt, dass es vorliegend um die Zurechnung einer objektiv feststehenden gezielten Manipulationsstrategie in einem Weltkonzern geht. Einer solchen Manipulationsstrategie immanent ist die Verschleierung der Verantwortlichkeit für den Fall, dass die Manipulation entdeckt wird. Wenn aber eine objektiv sittenwidrige Schädigung im Sinne von § 826 BGB in einem Weltkonzern vorgenommen und hierbei zugleich naturgemäß dafür Sorge getragen wird, dass die Zurechnung einer solchen sittenwidrigen Schädigung zu einzelnen verantwortlichen Personen verschleiert wird, kann es nicht Aufgabe des Geschädigten sein, der nicht einmal bei unterbliebener Verschleierung hinreichenden Einblick in die Entscheidungsvorgänge und Verantwortlichkeiten hat, die Zurechnung zu verantwortlichen Entscheidungsträgen darzulegen.
Zuletzt stellte das Gericht den Vorsatz seitens der Beklagten fest.
Die Beklagte handelte auch vorsätzlich. Erforderlich hierfür ist im Rahmen von § 826 BGB die Kenntnis von dem Eintritt eines Schadens, der Kausalität des eigenen Verhaltens und der die Sittenwidrigkeit des Verhaltens begründenden Umstände. Eine genaue Vorstellung von dem zu erwartenden Kausalverlauf ist nicht erforderlich. Auf die Kenntnis von der Person des Geschädigten verzichtet die Rechtsprechung (vgl. BGH NJW 2004, 2971). Da hier die streitgegenständliche Motorsteuerungssoftware alleine mit dem Ziel eingebaut wurde, das Genehmigungsverfahren zum Vorteil der Beklagten unzulässig zu beeinflussen und potentielle Käufer hierüber in Unkenntnis zu lassen, ist der Vorsatz der Beklagten hinsichtlich der für den Tatbestand des § 826 BGB relevanten objektiven Tatsachen zu bejahen.