OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 04.05.2023 – 7 ORs 10/23: Strafbare Bedrohung (§ 241 StGB) mit einem Verbrechen durch Übersendung eines Teils eines Märchens (Gänsemagd)

Der Angeklage ist Facharzt für forensische Psychiatrie und Mitglied der kassenärztlichen Vereinigung Hessen. Er korrespondierte mit einer einer Mitarbeiterin der kassenärztlichen Vereinigung per E-Mail und geriet mit ihr in Meinungsverschiedenheiten. Er schrieb u.a. zunächst:

Die falsche Magd, kommt Ihnen da was bekannt vor? In Ihrem Trauerspiel bin ich so etwas wie der „Alte König“ und helfe Ihnen gern mal auf die Sprünge:

und zitierte dann aus dem Märchen „Die Gänsemagd“.

„Welches Urteils ist diese würdig?“ Da sprach die falsche Braut: „Die ist nichts Besseres wert, als dass sie splitternackt ausgezogen und in ein Fass gesteckt wird, das inwendig mit spitzen Nägeln geschlagen ist; und zwei weiße Pferde müssen vorgespannt werden, die sie Gasse auf Gasse ab zu Tode schleifen.“ – „Das bist Du“, spart der alte König, „und hast Dein eigen Urteil gefunden, und danach soll Dir widerfahren.

Die Pressemitteilung der hessischen Justiz finden Sie unter https://t1p.de/3jlzw.

OLG Hamm, Urt. v. 27.04.2023 – 4 U 247/21: Die Veröffentlichung von drohnengestützen Luftbildaufnahmen von urheberrechtlich geschützter Werke ist von der Schrankenregelung in § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG (sog. Panoramafreiheit) nicht gedeckt.

Die Entscheidung im Volltext finden Sie unter: https://t1p.de/clzi9. Die Revision zum BGH wurde zugelassen.

OLG Karlsruhe, Urt. v. 30.6.2022 – 2 Rv 34 Ss 789/21: Wer an einer öffentlichen Versammlung unter freiem Himmel in einer Aufmachung teilnimmt, die geeignet und darauf gerichtet ist, die Feststellung der Identität zu verhindern, verstößt auch dann gegen das Vermummungsverbot des § 17a Abs. 2 Nr. 1 VersammlG, wenn nicht die Identifizierung durch Behörden, sondern durch Gegendemonstranten verhindert werden soll.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie unter: https://t1p.de/00a5j

LG Karlsruhe, Beschl. v. 04.01.2023 – 16 Qs 98/22: Ausnahmsweise sind Audioaufnahmen zulässig

3. Der aufgrund der Ermittlungen wahrscheinliche Tatvorgang ist im Übrigen auch aus Rechtsgründen nicht strafbar. Dem Amtsgericht Maulbronn ist zuzustimmen, dass der Angeschuldigte die Audioaufnahmen nicht „unbefugt“ im Sinne von § 201 Abs. 1 StGB gefertigt

Maßstab hierfür ist nach zutreffender Auffassung indes nicht einmal, ob im engen Sinne ein Rechtfertigungsgrund nach §§ 32, 34 StGB vorliegt. Der Gesetzgeber hat der Rechtsprechung zu § 201 StGB vielmehr ausdrücklich aufgegeben „nach den besonderen Umständen des Falles zu entscheiden, ob das Handeln als nicht tatbestandsmäßig (…) anzusehen ist“ (Reg.Begr. BT-Drs. 7/550, 236). In diesem Zusammenhang ist häufiger als sonst Raum für richterliche Abwägung und Wertung (BGH NJW 1979, 1513 (1514)).

Nach diesem Maßstab ist die dem Angeschuldigten zur Last gelegte Handlung nach den besonderen Umständen des vorliegenden Falles nicht als tatbestandsmäßig anzusehen.

Der Angeschuldigte sah sich hier regelmäßig strafrechtlichen Vorwürfen und grenzüberschreitendem Verhalten in typischen Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen durch seine Ehefrau ausgesetzt. Ihm kam hierfür jedenfalls keine Alleinverantwortung zu. Der fortdauernde Konflikt mit seiner Ehefrau fand zusätzlich vor dem Hintergrund eines anhängigen Scheidungs- und Sorgerechtsstreits statt. Ausschließlich in diesem Gesamtkontext fertigte der Angeschuldigte die verfahrensgegenständlichen Audioaufnahmen.

Zusätzlich ist das Tatbestandsmerkmal „unbefugt“ i.S.v. § 201 Abs. 1 StGB im Rahmen von fortdauernden Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Personen immer dann besonders restriktiv auszulegen, wenn eine erkennbar in Beweisnot befindliche Person von ihr gefertigte Audioaufnahmen ausschließlich mit den für die Auseinandersetzung jeweils zuständigen Behörden teilt. So liegt der Fall hier.

VGH München, Beschl. v. 10.10.2022 – 10 B 22.798 – Polizeiliche Hilfe bei der Vollstreckung

Die polizeiliche Unterstützung einer Wohnungsdurchsuchung durch gerichtliche Zwangsvollstreckungsorgane ist nur dann rechtmäßig, wenn die Wohnungsdurchsuchung von einem Gericht angeordnet oder ausnahmsweise wegen Gefahr im Verzug ohne gerichtliche Entscheidung zulässig ist. Den Volltext finden Sie hier.

ArbG Villingen-Schwenningen – 2 Ca 143/21: Streitwert für das Entfernen von Bildern eines ehemaligen Mitarbeiters

Der Antrag eines Arbeitnehmers, der nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Entfernung von Fotos von der Homepage des Arbeitgebers klagt, auf der er abgebildet ist, ist streitwertrechtlich mit einem Gehalt zu bemessen. Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier.

VG Augsburg – 10.12.2021 – Au 8 K 20.1952: Ingewahrsamnahme und Entkleiden einer Frau in der Polizeistation

Das Gericht entschied, daß das Entkleiden rechtswidrig war. Nicht rechtswidrig war es, trotz niedriger Temperaturen keine weiteren warmen Decken zur Verfügung zu stellen.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie unter https://t1p.de/e87f3.

abmahn- und klagefreudiger IDO-Verein

Der als sehr abmahn- und klagefreudig bekannte IDO Verein sorgt für eine uneinheitliche Rechtsprechung. Einige Gerichte sprechen ihm die Klage- bzw. Anftragsbefugnis (z.B. OLG Düsseldorf 20 U 325/20, LG Bonn 11 O 49/17, LG Darmstadt 15 O 14/20) ab, andere halten sein Vorgehen für rechtsmißbräuchlich (OLG Rostock 2 U 5/19, OLG Celle 13 U 73/19, OLG Köln 6 U 67/21, LG Köln 81 O 35/21, LG Heilbronn 21 O 38/19 KfH, LG Hildesheim 11 O 5/19, LG Potsdam 52 O 62/20). Wiederum andere Gerichte sehen sein Vorgehen als regelkonform an (Bbg OLG 6 U 41/21 [Berufungsinstanz zum LG Potsdam]).

Die Videokameras des Nachbarn. Wenn der Überwachungsdruck für den Unterlassungsanspruch ausreicht – AG Iburg, Urteil vom 12.11.2021 – 4 C 366/21

Viele wollen nur ihr Eigentum schützen, indem sie Videokameras aufstellen, in der Hoffnung, daß das Einbrecher abschreckt. Manchmal allerdings kann das zu einem Unterlassungsanspruch des Nachbarn führen. Die Zusammenfassung der Entscheidung finden Sie hier.

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.07.2021 – 1 UF 74/21: Veröffentlichen von Fotos der Kinder in sozialen Netzwerken ist nur mit Zustimmung beider sorgeberechtigter Elternteile zulässig

Eine häufig vorkommende Situation ist, daß Eltern Fotos, Videos usw. ihrer Kinder ins Internet (soziale Netzwerke) stellen. Im Regelfall machen sie sich darum keine Gedanken. Dies ist in Teilen bedenklich und kann zu Problemen führen, wenn z.B. die Eltern getrenntleben und die Kinder durch einen der Elternteile oder dessen neuen Partner oder Partnerin fotografiert oder gefilmt und diese Aufzeichnungen bzw. Aufnahmen ins Internet gestellt werden, wie im Fall des OLG Düsseldorf.

Die Mutter der Kinder stellte fest, daß die Mädchen von der neuen Freundin (zukünftig Freundin) fotografiert und diese Bilder ins Netz gestellt wurde, ohne daß seitens der Kindesmutter hierfür eine Zustimmung gem. § 182 BGB bzw. Einwilligung gem. 183 BGB vorlag. Eine Genehmigung gem. § 183 BGB erteilte sie nicht.

Ausgangspunkt ist zunächst die Frage, welche Auswirkungen es für die Kinder haben kann, wenn Bilder von ihnen ins Netz gestellt werden. Denn wenn die Auswirkungen gering sind, könnte darüber nachgedacht werden, daß es der Zustimmung durch die Mutter nicht bedarf.

Das öffentliche Teilen der Bilder bei Facebook und bei Instagram und ihre Einstellung auf der Webseite, um deren rechtliche Abwehr es geht, hat schwer abzuändernde Auswirkungen auf die Entwicklung der Kinder. Das ergibt sich aus der Tragweite der Verbreitung von Fotos in digitalen sozialen Medien unter Berücksichtigung der hiervon betroffenen Privatsphäre der Kinder und des gebotenen Schutzes ihrer Persönlichkeit. Der Personenkreis, dem die Fotos auf diese Weise zugänglich gemacht werden, ist unbegrenzt. Ihre Weiterverbreitung ist kaum kontrollierbar. Eine verlässliche Löschung der Bilder ist nicht möglich (vgl. DIJuF-Rechtsgutachten vom 02.11.2016, JAmt 2017, 27, 30). Die Kinder werden mit diesen Abbildungen aus ihrer Kindheitszeit potenziell für immer seitens eines unbeschränkten Personenkreises konfrontiert sein. Das tangiert spürbar die Integrität ihrer Persönlichkeit und ihrer Privatsphäre. Damit ist die Erheblichkeitsschwelle des § 1628 BGB erreicht.

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.07.2021 – 1 UF 74/21

Egal, ob die Eltern zusammen- oder getrenntleben, sie sollten generell nicht allzu sorglos Fotos „der Kleinen“ ins Netz stellen. Davon abgesehen sollten sie sich einigen, ob und wenn ja, welche Bilder ins Netz gestellt werden. Dies folgt aus §§ 1626, 1627 BGB.

Mangels Zustimmung verlangte die Mutter, die Bilder zu löschen, was die neue Freundin nicht tat und der Vater lehnte es ab, auf seine neue Freundin einzuwirken. Da sich die Eltern also nicht gem. §§ 1626, 1627 BGB einigen konnten, mußte deshalb das Gericht gem. § 1628 BGB eine Entscheidung treffen.

Aufgrund der oben dargestellten Auswirkungen war eine Zustimmung der Mutter erforderlich. An der es eben fehlte.

Das Erfordernis einer Einwilligung auch der Kindesmutter in die Veröffentlichung der Fotos ergibt sich zum einen aus der Norm des § 22 KunstUrhG. Diese knüpft die Rechtmäßigkeit der Verbreitung eines Bildes des Kindes jedenfalls an die Einwilligung beider sorgeberechtigter Elternteile.

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.07.2021 – 1 UF 74/21

Zum anderen folgt das Einwilligungserfordernis aus Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. a) DSGVO. Die Verwendung von Fotografien unterfällt den Gewährleistungen der DSGVO (MünchKommBGB/Rixecker, BGB, 8. Auflage, Anhang zu § 12 Rn. 156). Der Rechtfertigungsgrund der Einwilligung gemäß Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. a) DSGVO erfordert die Einwilligung der sorgeberechtigten Eltern als Träger der elterlichen Verantwortung.

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.07.2021 – 1 UF 74/21

Ergänzend führte das Gericht aus:

Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Kinder in die Bildveröffentlichung einwilligen. Eine solche Einwilligung würde nämlich nichts daran ändern, dass die erforderliche Einwilligung beider sorgeberechtigter Elternteile in die Bildverbreitung fehlt.

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.07.2021 – 1 UF 74/21