OLG Stuttgart Beschluß v. 03.01.2019 – 2 Rb 24 Ss 1269/18 – Halten eines Mobiltelefons

Das OLG Stuttgart mußte sich im Rahmen einer Rechtsbeschwerde mit der Frage befassen, ob bereits das bloße Halten ohne weitere Benutzung eines Mobiltelefons (§ 23 Abs. 1a StVO) zu einem Bußgeld führt.

Dies lehnte das Gericht ab.

Das bloße Halten eines in § 23 Abs. 1a StVO n.F. definierten elektronischen Gerätes in der Hand ohne Inanspruchnahme einer gerätespezifischen Bedienfunktion stellt keine Benutzung im Sinne dieser Vorschrift dar. Nicht das Aufnehmen oder Halten eines elektronischen Gerätes als solches wird untersagt, sondern – wie das zweckgerichtete Tatbestandsmerkmal „hierfür“ verdeutlicht – allein dessen bestimmungsgemäße Verwendung.

Im Kern hat der Verordnungsgeber das bisher geltende Handyverbot ausgeweitet auf sämtliche technischen Geräte der Kommunikations-, Informations- und Unterhaltungselektronik. Es werden in § 23 Abs. 1a S. 2 StVO konkrete Gerätearten abschließend aufgezählt, wobei die Vorschrift im Übrigen einen technikoffenen Ansatz enthält, um etwaige Neuentwicklungen ebenfalls erfassen zu können. Ferner hat der Verordnungsgeber die Ausnahmen vom Verbot der Nutzung elektronischer Geräte konkretisiert.

Den Verordnungsmaterialien lässt sich allerdings nicht entnehmen, dass nach dem Willen des Verordnungsgebers z.B. in dem bloßen Aufheben oder Umlagern eines elektronischen Gerätes ein Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO n.F. gesehen werden kann. Bei einer solchen Handhabung würde jeglicher Bezug zu einer gerätetechnischen Bedienfunktion fehlen und es wäre auch nicht einsichtig, eine solche funktionsneutrale Tätigkeit bei einem Mobiltelefon oder einem anderen elektronischen Gerät anders zu beurteilen als bei sonstigen im Fahrzeug mitgeführten Gegenständen

OLG Stuttgart Beschluß v. 03.01.2019 – 2 Rb 24 Ss 1269/18

Rein zur Klarstellung soll darauf verwiesen werden, daß das Benutzen, d.h. z.B. das Telefonieren, Schreiben von Textnachrichten usw., Sehen von Videos, Telefonchat usw. weiterhin untersagt sind, soweit dafür das Gerät aufgenommen wird.

BGH – VIII ZR 188/16: Reinigung (auch nicht zu öffnender Fensterteile) ist Sache des Mieters

Der BGH hatte sich in der Sache VIII ZR 188/16 mit der Frage zu beschäftigen, ob der Mieter vom Vermieter die Reinigung von Fenstern verlangen kann, die sich zumindest nur zum Teil öffnen lassen.

Dabei handelte es sich um eine große Fensterfront von 1,30 m x 2,75 m, bei der sich jedoch nur in der Mitte zu öffnendes Fenster von 0,60 m x 1,25 m befindet. Der Vermieter reinigte die Fenster ohne Pflicht zweimal im Jahr. Die klagenden Miter wollten erreichen, daß er es viermal im Jahr reinigt.

Das Amtsgericht wies die Klage ab. Das Landgericht verurteilte den Vermieter aufgrund der Berufung der Mieter dazu, die nicht zu öffnenden Fenster zweimal im Jahr zu reinigen. Die dagegen erhobene Berufung der Mieter wurde aufgrund des Hinweisbeschlusses des BGH zurückgenommen.

Der BGH wies darauf hin, daß

Die Reinigung der Flächen der Mietwohnung einschließlich der
Außenflächen der Wohnungsfenster, zu denen auch etwaige nicht zu öffnende Glasbestandteile sowie die Fensterrahmen gehören, grundsätzlich dem Mieter [obliegt], soweit die Mietvertragsparteien keine abweichende Vereinbarung getroffen haben.
Denn der Vermieter schuldet dem Mieter keine Erhaltung der Mietsache in einem jeweils gereinigten Zustand; bloße Reinigungsmaßnahmen sind dementsprechend nicht Bestandteil der Instandhaltungs- oder Instandsetzungspflicht des Vermieters.

 

Der händisch ausgestellter Motor und das Benutzen eines Mobiltelefons

Das Kammergericht Berlin mußte sich im Verfahren 3 Ws (B) 217/18, 3 Ws (B) 217/18 – 122 Ss 99/18 mit der Frage beschäftigen, ob das händische Abstellen des Motors vergleichbar mit der Abschaltautomatik des Motors beim Stehen an einer Ampel o.ä. ist, was zur Folge habe, daß er ein Mobiltelefon nicht in die Hand nehmen und benutzen darf.

A. Regelungen des § 23 Abs. 1a und 1b StVO

I. Hintergrund

§ 23 Abs. 1a und 1b StVO regeln die Voraussetzungen für das Verbot, verschiedene elektronische Geräte,

die der Kommunikation, Information oder Organisation dienen oder zu dienen bestimmt sind,

während des Führens eines Kfz zu benutzen. Ziel ist es, daß der Kaftfahrer nicht vom Straßenverkehr abgelenkt wird, da dies zu einer Unkonzentriertheit und damit zu Unfällen führe. Lediglich solche Verhaltensweisen waren und bleiben zulässig, die

nur eine sehr kurze Zeit eine Blickabwendung und Bindung der Hände erfordern.

Die Blickabwendung vom Verkehrsgeschehen darf im fließenden Verkehr dabei nur so kurz wie möglich und beiläufig sein.

(BR-Drs. 556/17, Begründung Besonderer Teil, S. 25 und 26)

Wie lang dieser Zeitraum für das Blickabwenden sein darf (objektiv meßbar), konnte nicht festgelegt werden, da hier zuviele Parameter (Verkehrs-, Straßen-, Sicht- und Wetterverhältnisse) exisitierten, die im Alltag aber fließend und relativ seien (BR-Drs. 556/17, Begründung Besonderer Teil, S. 26).

II. Erfaßte Geräte

Dabei handelt es sich gem. § 23  Abs. 1a S. 2 StVO um

Mobiltelefone oder Autotelefone, Berührungsbildschirme, tragbare Flachrechner, Navigationsgeräte, Fernseher oder Abspielgeräte mit Videofunktion oder Audiorekorder.

Diese Auflistung ist jedoch nicht abschließend, was durch das Wort „insbesondere“ deutlich wird. Der Verordnungsgeber (BR-Drs. 556/17, Begründung Besonderer Teil, S. 27) hatte dabei auch weitere Geräte im Blick:

sämtliche Handys, Smartphones, BOS- und CB-Funkgeräte
und Amateurfunkgeräte, auch solche mit reinem push-to-talk-Modus, Tablet-Computer, Touchscreens, elektronische Terminplaner, Diktiergeräte, E-Book-Reader, MP3-Player,
Personal Computer, DVD- und Blu-Ray-Player, CD-Rom-Abspielgeräte, Smartwatches, Walkman, Discman und Notebooks.

III. Zulässige Verhaltensweisen

  1. Solange das Gerät nicht in die Hand genommen wird, ist die Nutzung weiterhin zulässig.

Bislang ist das Annehmen eines Telefongesprächs durch Drücken einer Taste oder das Wischen über den Bildschirm eines Smartphones zu diesem Zweck erlaubt, soweit das Mobiltelefon nicht in die Hand genommen wird. Dabei soll es auch bleiben.

(BR-Drs. 556/17, Begründung Besonderer Teil, S. 27).

2. Um dem Verbot, das Gerät in die Hand zu nehmen, gerecht zu werden und dieses dennoch nutzen zu können, kann es z.B. arretiert sein oder mittels Freisprecheinrichtung bzw. „eines Knopfs im Ohr“ (jeweils Mobiltelefon) genutzt werden (BR-Drs. 556/17, Begründung Besonderer Teil, S. 27).

3. Weiterhin darf im Rahmen einer kurzen beiläufigen Blickabwendung vom Straßenverkehr gem. § 23 Abs. 1a S. 3 StVO z.B. auf das teilweise eingebaute HUD („Head-up-Display“) geschaut werden, denn

Das Zeigen von Verkehrszeichenanordnungen im
Blickfeld und von fahrzeugseitigen Informationen zum Zustand des Fahrzeugs sowie Informationen zum Fahrtweg erscheinen generell geeignet, um den Fahrzeugführer bei der sicheren Verkehrsteilnahme zu unterstützen. Unter fahrtbegleitenden Informationen ist die Angabe des Radiosenders oder des aktuell abgespielten Musiktitels zu verstehen. Das Ablesen dieser Informationen im Head-up-display erscheint – bei Einhaltung der in Absatz 1a Satz 1 festgelegten Dauer des Blickes – weniger ablenkend, als wenn der Fahrzeugführer zum Ablesen seinen Blick stets auf das Autoradio in der Mittelkonsole richten muss.

(BR-Drs. 556/17, Begründung Besonderer Teil, S. 27).

4. Neu zugelassen im § 23 Abs. 1a S. 1 Nr. 2 a) StVO ist die Nutzung mittels Sprachsteuerung oder Vorlesefunktion, denn so könne sich der Fahrzeugführer visuell weiter auf das Fahrgeschehen konzentrieren und es werde ein länger andauernder „Blindflug“ so weitgehend verhindert.

5. Längere Zeit dürfen gem. § 23 Abs. 1b S. 3 StVO Bildschirme oder Sichtfeldprojektionen geschaut werden, wenn es entweder zur Bewältigung der Fahraufgabe des Rückwärtsfahrens oder Einparkens handelt, soweit das Fahrzeug nur mit Schrittgeschwindigkeit bewegt wird oder es um die Benutzung elektronischer Geräte geht, die vorgeschriebene Spiegel ersetzen oder ergänzen. Dabei handelt es sich um die Nutzung elektronischer Einpark- oder Rangierassistenten, die Bilder erstellen, d.h. um Bildschirme einer Rückfahrkamera oder das HUD. Diese Ausnahme soll es ermöglichen, den Assistenten effektiv nutzen zu können (BR-Drs. 556/17, Begründung Besonderer Teil, S. 28).

IV. Unzulässige Verhaltensweisen

1. Wie bisher ist es untersagt, das Gerät in die Hand zu nehmen, um es zu benutzen. Dies betrifft alle Nutzungsmöglichkeiten (telefonieren, Texte lesen und/oder schreiben [BR-Drs. 556/17, Begründung Besonderer Teil, S. 12 – Hinweis auf Studie]).

2. Aus dem Kontext des § 23 Abs. 1a S. 1 Nr. 2 b) StVO heraus, ist es z.B. untersagt, ein Navigationsgerät zu programmieren, da dies mehr als nur einen kurzen beiläufigen Blick erfordere (BR-Drs. 556/17, Begründung Besonderer Teil, S. 11 – Hinweis auf Studie).

3. Im weiteren ist gem. § 23 Abs. 1a S. 3 StVO die Nutzung von einem auf dem Kopf getragenes visuelles Ausgabegerät, insbesondere eine Videobrille, untersagt. Dahinter verbirgt sich das Verbot, eine Virtual-Reality-Brille oder Google-Glass-Brille zu tragen. Dies trage

dem Umstand Rechnung, dass sich der Fahrzeugführer durch das Aufsetzen einer solchen Brille in Funktion vollständig vom Verkehrsgeschehen abkoppelt.

(BR-Drs. 556/17, Begründung Besonderer Teil, S. 27)

V. Ausnahmen von dem Verbot

Neben den o.a. zulässigen Verhaltensweisen (A. III.) gilt im hier interessierenden Fall gem. § 23 Abs. 1b S. 1 Nr. 1 StVO dieses Verbot nicht für

ein stehendes Fahrzeug, im Falle eines Kraftfahrzeuges vorbehaltlich der Nummer 3 nur, wenn der Motor vollständig ausgeschaltet ist,

Dies bedeutet, daß der Kraftfahrer dann das Mobiltelefon usw. aufnehmen darf, wenn der Motor von ihm zuvor ausgestellt wurde und das Kfz vollständig zum Halten gekommen ist. Das oftmals festzustellende Anhalten, Laufenlassen des Motors und dabei Telefonieren ist also eigentlich ebenfalls unzulässig.

Mittlerweile exisitieren viele Fahrzeuge mit einer sog. Start-Stop-Technik. Hierzu regelt § 23 Abs. 1b S. 2 StVO, daß das fahrzeugseitige automatische Abschalten des Motors im Verbrennungsbetrieb oder das Ruhen des elektrischen Antriebes ist kein Ausschalten des Motors in diesem Sinne.

Hintergrund für diese Ausnahme war, daß

Die Ausgrenzung des Motorabschaltens über die Start-Stop-Funktion trägt dem Umstand Rechnung, dass solche verkehrsbedingten Anhaltevorgänge, bei denen es „gleich wieder los geht“ und bei denen die Konzentration des Fahrzeugführers auf die Fahraufgabe weiter benötigt wird, nicht für eine untersagte Nutzung missbraucht werden sollen. Unter diese Ausgrenzung des automatischen Motorabschaltens fallen auch Elektrofahrzeuge, deren Motor im Stand in den Standby-Modus schaltet.

VI. Zusammenfassung

Insgesamt gilt: Grundsätzlich ist es untersagt, ein Gerät in die Hand zu nehmen oder für längere Zeit einen Blick darauf zu werfen bzw. es so zu benutzen. Ausnahme davon ist u.a., wenn der Motor (per Hand) ausgeschaltet ist. Von dieser Ausnahme ist jedoch eine gesetzliche Rückausnahme im Fall der Start-Stop-Funktion gegeben, so daß der Grundsatz wieder gilt (Verbot).

B. Entscheidung des Kammergerichts

In der Entscheidung ging es um einen Antrag der Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde. Das Amtsgericht Tiergarten hatte den Antragssteller verurteilt, weil er den Motor (händisch) ausgestellt hatte und dann das Mobiltelefon benutzte. Trotz der gesetzlichen Vorgabe verglich das Amtsgericht dieses händische Ausstellen des Motors mit der Rückausnahme zur Start-Stop-Funktion, weil dieses genauso gefährlich wie die Start-Stop-Funktion sei.

Das sah das Kammergericht jedoch anders und bezog sich auf die Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft Berlin. Wenn das händische Ausstellen mit der Start-Stop-Funktion vergleichbar sei, so läge eine Regelungslücke vor, die der Gesetzgeber bereinigen müsse. Eine Schließung dieser Lücke über eine Analogiebildung sei mit Art. 103 Abs. 2 GG nicht vereinbar.

Daß hier der Antragssteller dennoch „verloren“ hat (sein Antrag wurde verworfen), lag letztlich nur daran, daß der Kammergericht der Auffassung war, das Amtsgericht habe hier einen „einmaligen Fehler“ begangen und halte sich zukünftig an die Vorgaben des Kammergerichts.

Insofern hat der Antragssteller zwar für rechtliche Klarheit gesorgt, jedoch bleibt er auf den Kosten und der Verurteilung sitzen. Wohl ein Phyrrussieg.

LG Heilbronn, Urt. v. 9.8.2018 – Sp 2 O 278/17 – sittenwidrige Schädigung beim Pkw-Kauf

Das Landgericht Heilbronn hatte sich mit Urt. v. 09.08.2018 – Sp 2 O 278/17 – damit zu beschäftigen, ob ein weltweit bekannter Autohersteller den Käufer eines Pkw über den Einbau eines Manipulationsprogrammes getäuscht und damit gem. § 826 BGB sittenwidrig geschädigt hat.

Das Gericht bejahte diese Annahme. Bringe der Hersteller in einer Vielzahl von Fällen Fahrzeuge mit einem den Verbrauchern bewußt verschwiegenen Betriebsmodus in Verkehr, dessen alleiniger Zweck darin bestehe, die Einhaltung von Emissionswerten zu Genehmigungszwecken vorzutäuschen, so handele es sich nicht lediglich um eine unvollständige oder unrichtige Aufklärung, sondern um eine gezielte Manipulation zum Zweck der Täuschung, die als sittenwidrig im Sinne von § 826 BGB einzuordnen sei.

Der Schaden, den die Klägerin erlitten hatte, folge

aus der Belastung mit einer bei Kenntnis des Manipulationsvorgangs nicht getroffenen Kaufentscheidung und der damit eingegangenen Kaufpreiszahlungsverpflichtung, die bereits eine Vermögensgefährdung begründet.

Indem der Hersteller gezielt eine Motorsteuerungssoftware für den Dieselmotor EA 189 mit einem nur für den Prüfstand im Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) entwickelten Fahrmodus zur Einhaltung der für die EG-Typengenehmigung erforderlichen Emissionswerte programmiert und das Kraftfahrtbundesamt eine solche als unzulässige Abschalteinrichtung eingestuft habe, sei die Klägerin zum Abschluss eines Kaufvertrages gebracht worden, den sie sonst nicht geschlossen hätte.

Entscheidend für die Frage des Schadens sei, ob

die Klägerin das Fahrzeug (zu demselben Preis) auch dann gekauft hätte, wenn sie gewusst hätte, dass der Motor des streitgegenständlichen Fahrzeugs die EG-Typengenehmigung nur erhalten hatte, weil die Beklagte das Testverfahren mit einer unzulässigen Abschaltvorrichtung manipuliert hatte. Dass diese Frage zu verneinen ist, liegt auf der Hand. Kein vernünftiger Käufer würde sich auf die Unsicherheit des möglichen Widerrufs der EG-Typengenehmigung einlassen und ein solches Fahrzeug erwerben, selbst wenn mit dem Fahrzeug weder eine Wertminderung noch nachteilige Emissionswerte verbunden sind. Die berechtigten Erwartungen eines vernünftigen durchschnittlichen Käufers erstrecken sich darauf, dass das erworbene Fahrzeug die technischen und rechtlichen Voraussetzungen der Zulassung erfüllt und diese nicht durch illegale Mittel erreicht worden sind.

Es lag auch ein Verstoß gegen die guten Sitten vor.

Die Verwerflichkeit des Verhaltens der Beklagten folgt hier nach Überzeugung des Gerichts aus dem Umstand, dass die Beklagte die Motorsteuerungssoftware des streitgegenständlichen Fahrzeugs gezielt so programmiert hat, dass der Eindruck entsteht, dass das Fahrzeug geringere Stickstoffemissionen aufweist, als es im regulären Fahrbetrieb tatsächlich der Fall ist. … Vielmehr ist für die Entscheidung, ob das Verhalten der Beklagten verwerflich i.S.v. § 826 BGB ist, darauf abzustellen, dass die Beklagte für das Zulassungsverfahren einen Betriebsmodus entwickelt und eingebaut hat, dessen alleiniger Zweck in der Manipulation des Genehmigungsverfahrens bestand.

Die darüber hinaus für § 826 BGB nötige besondere Verwerflichkeit des Verhaltens ergibt sich aus dem Umstand, dass die Beklagte die Manipulation in einer Vielzahl von Fällen bzw. in einer ganzen Motorserie vorgenommen hat. Die Beklagte ist der größte Fahrzeughersteller und -exporteur Deutschlands, so dass von ihr vorgenommene gezielte Manipulationen des Genehmigungsverfahrens geeignet sind, das Vertrauen einer Vielzahl von Kunden in die Einhaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen zu untergraben. Aus der Konzerngröße der Beklagten können sich aus einer solchen gezielten Manipulation des Genehmigungsverfahrens Risiken in volkswirtschaftlich relevanter Dimension ergeben.

Schon dieses Gewinnstreben um den Preis der bewussten Täuschung und Benachteiligung von Kunden gibt dem Handeln der Beklagten das Gepräge der Sittenwidrigkeit. … Die Sittenwidrigkeit folgt vor allem daraus, dass die Manipulation heimlich vorgenommen wurde mit dem Ziel, eine Zulassung durch Täuschung zu erwirken.

Problematisch war die Beweisfrage, denn die Klägerin mußte die Verantwortlichkeiten beweisen, was bei einem großen Konzern sehr schwer war. Hier half jedoch die sog. sekundäre Darlegungslast. Gerade weil die Klägerin keinen Einblick in die Verwortungen haben konnte, hätte die Beklagte „Licht ins Dunkel“ bringen können. Das Gericht ging dann davon aus, daß die Verantwortung den gesetzlichen Vertretern zufällt, da die Beklagte nichts zu den Verantwortungen erklärt hat.

Zwar setzt die Haftung einer juristischen Person aus § 826 BGB i. V. m. § 31 BGB voraus, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter i.S.d. § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB verwirklicht hat (BGH, Urteil vom 28.06.2016, Az. VI ZR 536/15). Davon ist aber für die hier zu treffende Entscheidung auszugehen. Denn die Beklagte ist ihrer sekundären Darlegungslast zu der Frage, welches ihrer Organe Kenntnis von der Manipulation der Motorsteuerungssoftware hatte und das Inverkehrbringen entsprechend ausgerüsteter Motoren veranlasst hat, trotz Hinweises der Klägerseite hierauf nicht nachgekommen.

Hinzu kommt, dass es vorliegend um die Zurechnung einer objektiv feststehenden gezielten Manipulationsstrategie in einem Weltkonzern geht. Einer solchen Manipulationsstrategie immanent ist die Verschleierung der Verantwortlichkeit für den Fall, dass die Manipulation entdeckt wird. Wenn aber eine objektiv sittenwidrige Schädigung im Sinne von § 826 BGB in einem Weltkonzern vorgenommen und hierbei zugleich naturgemäß dafür Sorge getragen wird, dass die Zurechnung einer solchen sittenwidrigen Schädigung zu einzelnen verantwortlichen Personen verschleiert wird, kann es nicht Aufgabe des Geschädigten sein, der nicht einmal bei unterbliebener Verschleierung hinreichenden Einblick in die Entscheidungsvorgänge und Verantwortlichkeiten hat, die Zurechnung zu verantwortlichen Entscheidungsträgen darzulegen.

Zuletzt stellte das Gericht den Vorsatz seitens der Beklagten fest.

Die Beklagte handelte auch vorsätzlich. Erforderlich hierfür ist im Rahmen von § 826 BGB die Kenntnis von dem Eintritt eines Schadens, der Kausalität des eigenen Verhaltens und der die Sittenwidrigkeit des Verhaltens begründenden Umstände. Eine genaue Vorstellung von dem zu erwartenden Kausalverlauf ist nicht erforderlich. Auf die Kenntnis von der Person des Geschädigten verzichtet die Rechtsprechung (vgl. BGH NJW 2004, 2971). Da hier die streitgegenständliche Motorsteuerungssoftware alleine mit dem Ziel eingebaut wurde, das Genehmigungsverfahren zum Vorteil der Beklagten unzulässig zu beeinflussen und potentielle Käufer hierüber in Unkenntnis zu lassen, ist der Vorsatz der Beklagten hinsichtlich der für den Tatbestand des § 826 BGB relevanten objektiven Tatsachen zu bejahen.

EuGH, Urt. v. 07.08.2018 – C-161/17: Das Urheberrecht an einem Bild im Internet

Der EuGH hat auf eine Vorlagefrage des BGH eine Entscheidung (Rs. C-161/17) zum Urheberrecht getroffen.

A. Der klagende Fotograph hatte den Betreibern einer Internetseite für Reiseberichte ein von ihm erstelltes Foto von Cordoba gegen Entrichtung einer Lizenzgebühr zur Verfügung gestellt. Eine Schülerin fand dieses Bild, kopierte es von dieser Interseite und verwendete es in dem schriftlichen Teil eines Referats. Das Bild war ohne Angaben zum Urheber und ohne Schutzmechnismen (Kopierschutz) versehen. Die Schülerin verwies jedochauf die Fundstelle. Die Schule wiederum stellte diese Ausarbeitung auf die eigene Internetseite. Der Kläger verklagte nun die Stadt als Trägerin der Schule (später ausgeschieden) und das Bundesland als Anstellungskörperschaft auf Unterlassung und Schadensersatz.

B. Es stellte sich u.a. die Frage, ob die betreffende öffentliche Wiedergabe gegenüber einem „neuen“ Publikum erfolgen müsse.

I. Nach einer Überlegung sei das nicht der Fall. Dabei wurde das Einstellen des Bildes und der damit verbundenen Wiedergabe auf einer Internetseite mit dem Verlinken auf die Seite verglichen, auf der sich das Bild ursprünglich befand. Darin sei kein Unterschied zu sehen (EuGH, Urt. v. 13.02.1014 – C-466/12).

II. Eine andere Betrachtung sieht hierin ein „neues“ Publikum. Werde ein Werk – hier Bild – auf einer völlig neuen Internetseite eingestellt bzw. verwendet, läge darin eine „neue öffentliche Wiedergabe“,

weil u. a. der Urheberrechtsinhaber infolge dieser neuen Zugänglichmachung nicht mehr in der Lage sei, die Kontrolle über die ursprüngliche Wiedergabe des betreffenden Werks auszuüben.

Der EuGH schloß sich dem zweiten Ansatz an, weil der Grundsatz bestehe, daß Werke nur mit Zustimmung des Urhebers verwendet werden dürften.

Denn ein solches Einstellen auf eine andere Website als die, auf der die ursprüngliche Wiedergabe erfolgte, könnte sich dahin auswirken, dass es dem Urheberrechtsinhaber unmöglich oder zumindest erheblich erschwert wird, sein Recht vorbeugender Art auszuüben und zu verlangen, dass die Wiedergabe des Werks beendet wird, gegebenenfalls indem dieses von der Website genommen wird, auf der es mit seiner Zustimmung wiedergegeben worden ist, oder indem die einem Dritten zuvor erteilte Zustimmung widerrufen wird.

Weil sich das Bild nun auf einer anderen Internetseite befindet (Schule), sei das Publikum ein ganz anderes als das, an welches der Urheber bei der Rechteeinräumung gedacht habe (Reiseberichte).

III. Die Rechtsprechung des EuGH (Urt. v. 13.02.1014 – C-466/12) sei hier u.a. auch nicht übertragbar, weil sich das eben genannte Urteil auf sog. Hyperlinks bezog. Die Verlinkung auf das Bild einee Seite sei anders zu bewerten als das Kopieren und Einstellen auf der Internetseite.

Bei einer … Wiedergabe in der Gestalt der Einfügung eines Hyperlinks auf einer Website, der auf ein zuvor mit der Zustimmung des Urheberrechtsinhabers wiedergegebenes Werk verweist, ist der vorbeugende Charakter der Rechte des Rechteinhabers gewahrt, da der Urheber sein Werk, wenn er es auf der betreffenden Website nicht mehr wiedergeben möchte, von der Website entfernen kann, auf der er es ursprünglich wiedergegeben hat, wodurch jeder Hyperlink, der auf es verweist, hinfällig wird. Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens hingegen führt die Einstellung eines Werks auf eine andere Website zu einer neuen, von der ursprünglich genehmigten Wiedergabe unabhängigen Wiedergabe. Infolge dieses Einstellens könnte das betreffende Werk auf der letztgenannten Website weiterhin zugänglich sein, unabhängig von der vorherigen Zustimmung des Urhebers und unbeschadet jeder Handlung, mit der der Rechteinhaber beschlösse, sein Werk auf der Website, auf der es ursprünglich mit seiner Genehmigung wiedergegeben worden ist, nicht mehr wiederzugeben.

Um Schwierigkeiten zu vermeiden, sollte daher stets der Urheber eruiert und befagt werden. Alles andere kann bei ungefragter Nutzung abmahnträchtig sein.

BVerwG – 3 C 24.16: Keine Kostenerstattung der Gemeinde bei Fundtieren

Im Streit BVerwG – 3 C 24.16 – will die klagende Gemeinde vom beklagten Landkreis die Kosten für die Unterbringung eines Hundes erstattet bekommen (rund 400,00 €). Dieser wurde durch einen Landwirt gefunden und bei der Gemeinde abgegeben worden. Der Landkreis erstattete die Kosten nicht. Die Sache blieb in allen Instanzen erfolglos.

Die Gemeinde war der Auffassung, sie habe eine Aufgabe des Landkreises (Tierschutzbehörde) wahrgenommen und könne daher von ihm die entstandenen Kosten über die sog. (öffentlich-rechtliche) Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) ersetzt verlangen.

Das BVerwG wies die Revision zurück. Bei der Unterbringung des Hundes handele es sich um eine Aufgabe der Gemeinde selbst – hier in Form der allgemeinen Ordnungsbehörde, die auch für Fundsachen zuständig sei.

A. Zunächst gelten gem. § 90a BGB auch für Tiere die gesetzlichen Regelungen für Sachen und somit auch das Fundrecht (§§ 965 ff. BGB).

Der Hund war aus Sicht des Gerichts eine „Fundsache“, da u.a. nichts dafür sprach, daß das Tier aus einer Hundepopulation stamme, die frei bzw. wild lebe.

Wird ein Tier ausgesetzt (Dereliktion iSv. § 950 BGB), ist dies jedoch gem. § 134 BGB nichtig, weil dies gegen das § 3 Satz 1 Nr. 3 TierSchG verstoße.

Die Nichtigkeit einer Dereliktion führt in aller Regel dazu, dass die Anwendbarkeit des Fundrechts ohne weiteres zu bejahen ist. Auch wenn das Fundrecht primär auf den Schutz des Interesses des Eigentümers und nicht des Tieres angelegt ist, entfaltet es praktisch tierschützende Wirkung.

Weil also da Tier noch ein (unbekanntes) „Herrchen“ hatte, war das sog. Fundrecht anzuwenden.

Das Fundrecht zielt darauf, der Gefahr eines dauerhaften Verlustes von Sachen zu begegnen, und schützt so das Eigentum. Entsprechend haben die öffentlich-rechtlichen Aufgaben der Fundbehörden eine polizeirechtliche Ausrichtung.

B. Durch den Transport des Tieres zum Tierheim wurde die Gemeinde zur Finderin und zugleich eine eigene Aufgabe als Fundbüro übernommen.

Den Finder einer verlorenen Sache trifft eine Anzeige- und Verwahrungspflicht (§§ 965, 966 BGB). Damit soll gewährleistet werden, dass eine verlorene Sache alsbald unversehrt zurückgegeben werden kann. Die nach Landesrecht zuständige Fundbehörde … hat die Pflichtaufgabe, die Rückgabe zu vermitteln und nach Maßgabe des Gesetzes zu gewährleisten. Deshalb ist sie verpflichtet eine Fundsache, die vom Finder abgeliefert wird, entgegenzunehmen und zu verwahren.

Indem sie [Anm. des Verf.: die Behörde] jedoch einen Dritten mit dem Abtransport des Hundes beauftragt hat, ist sie Besitzerin des Hundes geworden (§ 868 BGB) und hat den Hund im Sinne des Fundrechts an sich genommen (§ 965 Abs. 1 BGB). Sie hat damit entsprechend § 966 BGB als Fundbehörde eine eigene Pflicht zur Verwahrung des Hundes begründet. Das verpflichtete sie zu einer den tierschutzrechtlichen Vorgaben entsprechenden Unterbringung und Versorgung.

C. Die Gemeinde übernahm trotz der Möglichkeit, daß der Landkreis als Tierschutzbehörde eigene Maßnahmen gegenüber dem Tierhalter hätte treffen können, eine eigene Aufgabe, so daß hier gerade kein Fall der öffentlich-rechtlichen GoA vorliegt.

Das Gericht geht im folgenden auf die Voraussetzungen ein, die bei der öffentlich-rechtlichen GoA zwar dieselben sind, wie bei der GoA gem. dem BGB. Jedoch kommen weitere Aspekte hinzu, weil die GoA z.B. die Möglichkeit eröffnet,

dass der Instanzen- und Rechtsweg unterlaufen wird und im Wege der Selbsthilfe Aufgaben wahrgenommen werden, auf deren Erfüllung kein Anspruch besteht

Es gilt, dass die gesetzliche Aufgabenzuweisung grundsätzlich zu beachten und auf die Möglichkeit zu verweisen ist, den Aufgabenträger im Beschwerde- oder Rechtsweg zur Aufgabenerfüllung anzuhalten. Ebenso geht es grundsätzlich nicht an, den Aufgabenträger dort, wo die Aufgabenwahrnehmung in seinem Ermessen steht, im Hinblick auf das „ob“ und „wie“ einer Maßnahme vor vollendete Tatsachen zu stellen und mit Kosten zu belasten. Diese Hürden sind aber nicht unüberwindlich. Als gegenläufige Interessen sind die sachliche und zeitliche Dringlichkeit der Aufgabenerfüllung und die Bedeutung der betroffenen Rechtsgüter ebenso zu berücksichtigen, wie das Verhalten des Aufgabenträgers.

Das BVerwG mußte dann (nochmals) zwischen der Aufgabe der Klägerin als aufgrund Landesrecht allgemeine Polzeibehörde und der Aufgabe des Landkreises als Tierschutzbehörde „abwägen“. Die Aufgaben der beiden Behörden

stehen ohne inneren Zusammenhang gleichrangig nebeneinander und sind unabhängig voneinander in eigener Zuständigkeit wahrzunehmen. Entsprechend sind sie nicht darauf angelegt, im Interesse eines Ausgleichs zueinander in Beziehung gesetzt zu werden und bieten hierfür auch keinen Maßstab. Ist eine Mehrfachzuständigkeit in Betracht zu ziehen, auf deren Grundlage sich mit der Aufgabenwahrnehmung durch eine Behörde zugleich die Aufgabe einer anderen erledigt, so hat es jedenfalls grundsätzlich dabei zu bleiben, dass derjenige, der eine eigene Aufgabe wahrnimmt, selbst die mit ihr verbundenen Kosten trägt.

Es bleibt also dabei, daß die Gemeinde eine eigene Aufgabe wahrgenommen und folglich die Kosten selbst zu tragen hat. Sie kann allenfalls den Landkreis auffordern, seiner Aufgabe nachzukommen, denn

Neben der Möglichkeit, etwa über aufsichtführende Stellen ein Tätigwerden einer anderen zuständigen Stelle zu bewirken, ist in diesen Fällen ein Ausgleich der Aufwendungen nicht geboten.

OLG Celle – 2 O 199/17 – zur Schadensminderungspflicht des Unfallgeschädigten

Gegenstand der Entscheidung des OLG Celle – 2 O 199/17 -war die Frage, ob ein geschädigter Unfallbeteiligter aus eigenen Mitteln die Kosten des Mietwages und der Reparatur zunächst vorstrecken muß oder ob er sich gleich an den Verursacher wenden kann.

I. Mietwagenkosten
Unter Berufung auf die Rechtsprechung mehrerer anderer Oberlandesgerichte und auch des BGH verneinte dies das OLG Celle. Grundsätzlich

kann eine Pflicht des Geschädigten, zur Schadensbeseitigung einen Kredit aufzunehmen, nur unter besonderen Umständen angenommen werden. Die Rechtsprechung hat eine solche Pflicht nur ausnahmsweise bejaht. Es ist grundsätzlich Sache des Schädigers, die vom Geschädigten zu veranlassende Schadensbeseitigung zu finanzieren. Der Geschädigte hat Anspruch auf sofortigen Ersatz und ist nicht verpflichtet, den Schaden zunächst aus eigenen Mitteln zu beseitigen oder zur Vermeidung von Folgeschäden [einen] Kredit aufzunehmen.

Allenfalls kann eine Verpflichtung des Geschädigten, den Schaden zunächst aus eigenen Mitteln zu beseitigen oder gar Kredit zur Schadensbehebung aufzunehmen, ausnahmsweise dann bejaht werden, wenn der Geschädigte sich den Kredit ohne Schwierigkeiten beschaffen kann und er durch die Rückzahlung nicht über seine wirtschaftlichen Verhältnisse hinaus belastet wird.

Angesichts der geringen Rente (800,00 €/Monat) war es aus Sicht des Gerichts dem Geschädigten dies jedoch nicht zumutbar.

Die Kosten berechnete das Gericht nach dem sog. Normaltarif, der nach dem arithmetischen Mittel von „Schwacke“ und „Fraunhofer“ gem. § 287 ZPO geschätzt wird.

Weiterhin erstattet bekam er die Kosten für die Zustellung und Abholung des Ersatzfahrzeugs.

II. Reparaturkosten
Sodann ging es um die Frage, ob der Geschädigte seine Vollkaskoversicherung hätte in Anspruch nehmen müssen, um die Schäden ersetzt zu bekommen.

Auch hier bezieht sich das OLG Celle auf bereits ergangene Entscheidungen u.a. OLG Naumburg, Urt. v. 15.06.2017 – 9 U 3/17 – und stellte fest, daß es

weder eine Obliegenheit, noch eine Pflicht des Geschädigten besteht, zur Entlastung des Schädigers seine Vollkaskoversicherung einzusetzen (OLG Dresden, Urteil vom 04.05.2012, 1 U 1797/11; OLG Düsseldorf, Urteil vom 15.10.2007, 1 U 52/07). Sinn und Zweck der Kaskoversicherung sei gerade nicht die Entlastung des Schädigers. Der Versicherungsnehmer einer Vollkaskoversicherung erkaufe sich den Versicherungsschutz vielmehr für die Fälle, in denen ihm ein nicht durch andere zu ersetzender Schaden verbleibe.

Versicherungsleistungen, die sich ein Geschädigter durch die Zahlung der Versicherungsprämien selbst „erkauft“ habe, könnten dem Schädiger nicht im Wege der Vorteilsausgleichung zugute kommen (BGH, Urteil vom 12.03.2009, VII ZR 88/08).

III. Sonstige Kosten

Weiterhin konnte der Geschädigte die Reduzierung der Selbstbeteiligung ersetzt verlangen.

Urheberrechtsverletzung durch Veröffentlichen von Bildern in einer Facebookgruppe

Das LG München I, Urt. v. 31.01.2018 – 37 O 17964/17 – mußte sich mit der Frage beschäftigen, ob es eine Urheberrechtsverletzung darstellt, wenn Fotos in einer Ausstellung abfotografiert werden und diese dann bei einer Facebookgruppe eingestellt werden.

Hintergrund ist eine Austellung zu einem unaufgeklärten Kriminalfall aus Bayern. Dort wurde 1922 eine Familie durch eine unbekannte Person erschlagen. Eine Vielzahl von Personen – u.a. auch die Verfügungskläger – beschäftigen sich mit diesem Fall (Hinterkaifeck). Die Verfügungskläger richteten in einem Museum eine Ausstellung darüber ein. Die Verfügungsbeklagte besuchte diese Ausstellung, fertigte Fotos und veröffentlichte diese in ihrer Facebookgruppe.

Bei der Ausstellung handele es sich um ein Sammelwerk iSv. § 4 Abs. 1 UrhG, bestehend aus zusammengetragenen Fotos, Texten in einer bestimmten Auswahl, Anordnung.

Das Einstellen der Bilder der abfotografierten Exponate stelle eine Urheberrechtsverletzung dar, da diese einer Öffentlichkeit gem. § 15 Abs. 3, § 19a UrhG zugänglich gemacht worden seien.

Daß die Facebookgruppe nur 400 Mitglieder habe, stehe dem Begriff der „Öffentlichkeit“ gem. § 15 Abs. 3 UrhG nicht entgegen.

denn der Zugang zur Gruppe wird von der Antragsgegnerin auch ihr gänzlich unbekannten Personen freigegeben, wobei sie allenfalls nach dem konkreten Interesse des Beitretenden fragt. Dies ergibt sich aus den Erfahrungen des Prozessbevollmächtigten der Verfügungskläger und der Verfügungsklägerin zu1). Von einem engen gegenseitigen Kontakt, der auch angesichts der Gruppenstärke ausgeschlossen erscheint, ist daher nicht auszugehen. Das Posten der Fotografien in der Gruppe reicht daher als öffentliche Zugänglichmachung aus.

Die Rechtsverletzung bei Sammelwerken wie dem hier vorliegenden beurteilte das LG München I wie folgt:

Eine Urheberrechtsverletzung an einem Sammelwerk ist anzunehmen, wenn das als rechtsverletzend beanstandete Werk diejenigen Strukturen hinsichtlich der Auslese und Anordnung des Stoffes enthält, welche die Sammlung von Werken und Beiträgen als eine persönliche geistige Schöpfung i. S. des § 4 UrhG ausweisen (BGH GRUR-RR 2012, 325). Der Verfügungsbeklagten mag es also möglicherweise nicht gänzlich verwehrt sein, einzelne Fotografien von ihrem Ausstellungsbesuch innerhalb der Facebookgruppe zu teilen. Wenn jedoch die Kombination der übernommenen Beiträge besondere Strukturen in deren Auslese und Anordnung aufweist und das Gewebe der persönlichen geistigen Schöpfung des Sammelwerkes erkennen lässt, kann eine Beeinträchtigung des Urheberrechts an einem Sammelwerk i. S. des § 4 UrhG angenommen werde

Die Auswahl der Exponate geht folglich nahezu vollständig aus den Fotografien hervor. Aber auch ihre Anordnung lassen die Fotografien erkennen.

Einzelne Bilder hätte sie also in der Gruppe einstellen können. Da sie hier jedoch nahezu alles fotografiert und eingestellt hat, wurde quasi die gesamte Ausstellung von ihr digitalisiert und so in die Gruppe eingestellt.

OVG Berlin-Brandenburg – OVG 4 B 19.14: Moderne Brustimplantate stellen kein Einstellungshindernis in den Polizeidienst dar

Das OVG Berlin-Brandenburg hatte sich in einem Berufungsverfahren mit der Frage zu beschäftigen, ob Brustimplantate bei Bewerberinnen zum Polizeidienst ein Einstellungshindernis darstellen können. Der Volltext liegt noch nicht vor.

Die Berliner Polizeibehörde hatte eine Bewerberin abgelehnt, da sie angegeben hatte, Brustimplantate zu haben. Als Grund für die Ablehnung wurde u.a. genannt, daß die Gefahr bestehe, diese Implantate könnten im Dienst z.B. bei Auseinandersetzungen mit den sog. „polizeilichen Gegenüber“ reißen und auslaufen oder sie könnten sich verkapseln (Kapselfibrose), so daß die Klägerin früher wegen Dienstunfähigkeit zu pensionieren sei.

Bereits die Vorinstanz (VG Berlin) gab der Klägerin recht. Bereits damals konnte die Klägerin durch ihre Ärztin nachweisen, daß keinerlei Komplikationen aufgetreten sind. Das OVG Berlin-Brandenburg holte nun zwei Sachverständigengutachten ein, die zu dem Ergebnis kamen, daß die modernen Implantate nicht mehr die Nachteile früherer Produkte aufwiesen.

Neben der Entscheidung des OVG Berlin-Brandenburg und dessen Vorinstanz sind weitere Verwaltungsgerichte der Auffassung, daß Brustimplantate kein Einstellungshindernis darstellen.

VG Karslruhe – 7 K 5541/15, VG Gelsenkirchen – 1 K 2166/14 und VG München – M 5 E 16.2726 (pdf)

Erkennungsdienstliche Maßnahme gem. § 81b Alt. 2 StPO im Intimbereich

Dem Antragssteller wurde vorgeworfen, sich über das Internet einem zwölfjährigen Mädchen sexuell genähert zu haben (Verdacht des sexuellen Missbrauchs von Kindern nach § 176 StGB i.V.m. § 184b, 52, 22, 23 StGB). Das Strafverfahren wurde gegen ihn eingeleitet und zugleich wurde er zu einer sog. erkennungsdienstlichen Maßnahme gem. § 81b Alt. 2 StPO vorgeladen, in der u.a. sein Geschlechtsteil abfotografiert werden sollte. Dagegen wehrte sich der Kläger vor dem VG Cottbus (VG 3 L 95/18) und  beantragte, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs wieder herzustellen.

§ 81b Alt. 2 StPO erlaubt es, Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufzunehmen sowie Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm durchzuführen, soweit es für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist.

Hier ging es ihm neben Verfahrensfrage vor allem darum, daß die Polizei angeordnet hatte, sein Intimbereich zu fotografieren. Gegen den Antragssteller wurde ein Strafverfahren geführt und es bestand der Verdacht, daß er über ein soziales Netzwerk Fotos von sich dem Mädchen zugesandt hatte. Um in den Kontakt treten zu können, nutzte er auch seinen Dienstrechner.

Sexualdelikte sind regelmäßig von einer besonderen Veranlagung oder Neigung des Täters geprägt und bergen damit statistisch betrachtet eine signifikant höhere Rückfallgefahr, wenn nicht die Tatumstände und alle weiteren bedeutsamen Faktoren auf eine zu erwartende Einmaligkeit der Tat hindeuten.

Schon der Umstand, dass der Antragsteller im Rahmen der Vorbereitung bzw. Begehung der Tat unter Nutzung des dienstlichen Rechners bewusst das Risiko jederzeitiger Entdeckung durch Arbeitskollegen oder durch den Dienstherrn bzw. durch die für den Dienstherrn tätigen Mitarbeiter der IT-Stelle in Kauf genommen hat, spricht dafür, dass die Neigung des Antragstellers besonders stark sein dürfte, zumal er neben – dem ihm ohne weiteres bekannten – strafrechtlichen Konsequenzen mit dienstrechtlichen Schritten bis hin zu seiner Entfernung aus dem Staatsdienst rechnen musste.

Besonders wehrte er sich gegen das Aufnehmen seines Intimbereichs. Dazu führte das Gericht aus:

Dass insoweit Abbildungen des Geschlechtsteils des Antragstellers bei der Identifizierung eines Tatverdächtigen im Bereich pädophil-sexueller Delikte belastend oder entlastend hilfreich sein können, liegt hierbei auf der Hand. Sexualdelikte sind davon geprägt, dass den Geschlechtsorganen bei der Tatbegehung eine hervorgehobene Bedeutung zukommt. Geschehen diese -wie im Internet nicht unüblich- durch Austausch von Bildern, kann insoweit ein Abgleich mit im Rahmen des Erkennungsdienstes gewonnenen Bildern erfolgen.

Dabei mußte sich das Gericht mit der Frage beschäftigen, ob männliche Genitalien hinreichend identifizierbar seien.

Zwar mag es zutreffen, dass ein Penis (im erigierten oder weniger stark durchbluteten Zustand) und das Scrotum nicht mit der Eindeutigkeit eine Identifizierung seines Trägers zulassen, wie etwa Gesichtszüge eine bestimmte Person kennzeichnen. Gleichwohl weisen diese Körperteile Merkmale und eine Variationsbreite hinsichtlich Größe, Farbe und Gestalt auf, die zumindest eine Eingrenzung der in Betracht kommenden Verdächtigten ermöglichen. Sie können zudem besondere angeborene (z.B. ein Muttermal oder Leberfleck) oder erworbene (z.B. Warzen, Tattoo, Piercing, Narben) Merkmale besitzen, die den Kreis der möglichen Verdächtigen noch weiter einschränken.

Auch daß das BVerfG festgestellt hatte, der Staat habe die Intimsphäre zu schützen, half dem Antragssteller nicht weiter, denn

Untersuchungen eines Betroffenen, die mit einer Entkleidung verbunden sind, auch solche die mit einer Inspizierung von normalerweise bedeckten Körperteilen und -öffnungen wie der Geschlechtsteile oder des Anus verbunden sind, sind aber nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht generell ausgeschlossen; sie stellen aber einen schwerwiegenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht dar, der einer gesetzlichen Grundlage bedarf und bei dem der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit strikt zu beachten ist

Dies war jedoch hier der Fall, denn es ging um einen schwerwiegenden Tatverdacht.

Das Gericht lehnte daher den Antrag ab.